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Der Essigvater

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Text: Christian Grünwald

Die Anekdote ist zu gut, um sie nicht immer wieder zu erzählen. „Ich machte früher um Essig einen großen Bogen“, erinnert sich Alois Gölles. „Ich bekam Magenschmerzen von der Säure.“ Entsprechend konträr zum in den Achtzigerjahren gängigen Essig-Ideal präsentierten sich die ersten Essigversuche des Steirers: „Ich kam mit einem Plastikgefäß in die Küche, gab’s meiner Frau und meiner Mutter zum Probieren und die sagten: ,Das kannst wegschütten, das ist kein Essig, der ist ja süß‘.“ Gölles ließ sich nicht beirren, setzte weiter auf die ihm angenehme Fruchtsüße im Essig und brachte 1984 den ersten Apfelbalsamessig auf den Markt. Den aus Apfelmost vergorenen Essig hat er tatsächlich erfunden, bis Ende der Neunzigerjahre hielt er, mangels Konkurrenz, sogar das Produktmonopol. Der erste Apfelbalsamessig war so gut, dass der Neuling relativ leicht neugierige Abnehmer fand.

Essigmachen ist ja im Grunde ganz einfach, wenn nicht die ­Essigbakterien so zickig wären. „Das sind halt echte Diven. Je nach Zeit und Temperatur kann beim zweiten Teil der Vergärung alles Mögliche passieren.“ Die zweite Gärung, das ist jene, bei der Alkohol zu Essig umgewandelt wird. Die erste Gärung ist jene, bei der Apfelsaft zu einem Apfelmost vergoren wird, der ­allerdings nicht zu viel Alkohol aufweisen darf, „sonst kriegst du zwar auch einen Essig raus, aber nicht mit der Süße, die mein Produkt ausmacht“. Typisch für Balsamessig-Produktion ist auch das Einkochen des Mosts, was für die dickliche Konsistenz und Aromenkonzentration sorgt. Nach dem Vorbild der Herstellungsmethode für den Aceto Balsamico tradizionale kocht Gölles den Apfelsaft auf etwa ein Viertel der ursprünglichen Menge ein. Aus dem Konzentrat wird ein kleiner Teil des Zuckers in Alkohol umgewandelt, der Rest sorgt im Essig für die Süße. Mindestens acht Jahre reift der Apfelbalsam in gebrauchten Barrique-Fässern. Auch nach der langen Reifezeit präsentiert sich der Essig mit einer frischen Apfelnote sowie Karamell- und Holznoten. „Anfangs habe ich mitunter zu lange gekocht, da waren dann die Malznoten zu deutlich.“ Fehler, die Alois Gölles nach 40 Jahren schon lange nicht mehr passieren.

Würzige alte steirische Sorten wie Maschansker, Cox- und Jonathan-Kreuzungen, Ilzer Weinler, Rosenapfel oder Bohnapfel sind ideal. „Die haben eine recht hohe Säure und mitunter sogar bitter schmeckende Gerbstoffe. Und genau diese Polyphenole brauchst du für einen Most, aus dem dann guter Essig wird, das ist eines der Geheimnisse.“ Mitte der 1990er-Jahre begann Gölles auch mit der Herstellung von anderen Fruchtessigen. Himbeere stand da ganz am Anfang. Heute umfasst das Portfolio 15 bis 20 Essige, wobei kein Produkt an den Erfolg des klassischen Apfelbalsams je anschließen konnte. Ideen gäbe es genug. Die Kreativabteilung im Familienbetrieb verantwortet mittlerweile Sohn David, der mit seiner Partnerin Katharina Fleck einen ­eigenen Betrieb aufgebaut hat und sich neben Essig um zeitgemäße Spirituosen kümmert. Der Firmenname House of Whiskey, Gin & Rum sagt eigentlich alles und erinnert Alois Gölles an seine eigenen Anfänge als erfolgreicher Fruchtbrand-Macher. „In den 1980ern habe ich noch aus den Gewinnen, die wir mit dem Schnaps erzielt haben, den Essig subventioniert.“

Einige wenige Flaschen Apfelbalsamessig sind aus den 80ern noch erhalten. Sie wurden anlässlich des 40-Jahr-Jubiläums verkostet und bestaunt – vor allem auch, weil die charmante Frucht-Zucker-Säure-Balance nach wie vor erstaunlich präsent ist. Verkostet und gefeiert wurde im Steirereck in Wien. Die Reitbauers, daran kann sich Alois Gölles noch gut erinnern, zählen seit 1986 zu den fixen Kunden der Essigmanufaktur. „Alleine dorthin liefern wir jährlich rund 600 Liter Balsam­essig.“ Und wie verträgt eigentlich der „Essigvater“ heutzutage die Säure seiner ­eigenen Produkte? „Tadellos. Und mit meinem Magen habe ich, seitdem wir Balsamessig produzieren, auch keine Probleme mehr.“

goelles.at

Der Beitrag Der Essigvater erschien zuerst auf A la carte.


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